Segen Gottes

Predigt und Gottesdienst an Trinitatis zu Num 6, 22-27 – Der aaronitische Segen

ER, der Unverfügbare, bleibt unverfügbar. Wir haben keine Macht darüber. So auch nicht über seine Schöpfung, den Nächsten, unser Selbst. Aber wir lernen Du zu sagen. ER wird so ansprechbar, für uns ganz persönlich und beziehungsfähig.“

22. Juni 2020: Live-Gottesdienst an Trinitatis aus der Heilandskirche Stuttgart

Hören wir zunächst auf den Predigttext aus 4. Mose (Num 6, 22-27):

22 Und der HERR redete mit Mose und sprach:
23 Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:
24 Der HERR segne dich und behüte dich;
25 der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
26 der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
27 So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.

Liebe Gemeinde,

nachdem Mose ja etwas maulfaul war, wurde ihm von Gott sein älterer Bruder Aaron zur Seite gestellt. Aaron sollte zum Volk reden, was Gott Mose für das Volk und zunächst auch für den Pharao mitzuteilen hatte. Aaron half Mose so bei der Befreiung und bei der Gesetzgebung.

Später wurde Aaron, da sein Stab in der Bundeslade grünte, das erbliche Amt des Hohepriesters übertragen. Er und seine Söhne verrichteten ab da dann als Priester den kultischen Dienst.

So ist auch dieser Abschnitt formuliert. Gott spricht am Sinai zu Mose, was dieser dann Aaron und seinen Söhnen sagen soll, welche Worte diese wiederum beim Segnen des Volkes aussprechen sollen.

Und der HERR gibt Mose am Ende dieses Abschnittes auch eine Begründung mit, warum so geredet werden soll: „So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.“

Gott erwartet von den Priestern, dass sie den Namen Gottes auf die Israeliten legen. Denn: „,dass ich sie segne.“ Er möchte es also selbst sein, der das Volk, die Gläubigen segnet. Die Priester sind also nicht die, die den Segen haben und verteilen, sondern lediglich den Gläubigen zusprechen, dass da Gott ist und dass dieser segnet, sie segnet.

Und das für mich Schöne daran ist die Grammatik, in der dieser Segen formuliert ist. In unserer heutigen Sprache etwa schwerer nachzuvollziehen, da wir es kaum nutzen, aber doch eindeutig: ER, Gott, gibt Mose die Formulierung des Segens nicht als frommen Wunsch, im könnte, sollte, wollte, vielleicht mit, sondern in der Befehlsform. So wie im Schöpfungsakt Gott sprach: „Es werde Licht. Und es wurde Licht.“ (Gen 1,3), so ist auch hier von Gott der Segen im Jussiv, der Befehlsform formuliert und den Priestern aufgetragen zu reden. „Der HERR segne und behüte dich, … er sei dir gnädig, … er gebe dir Frieden.“

Somit ist den geistlichen Ämtern von Gott aufgetragen, nicht eigene Macht und Gunst walten zu lassen, sondern die Gläubigen und damit zum Schluss auch sich selbst auf Gott, der selbst segnen möchte, hinzuweisen. Der HERR selbst ist es, der segnet. Und der zugesagt hat, dass er segnen wird, da er sich selbst unter diese formulierte Befehlsform stellt.

Martin Buber und Franz Rosenzweig haben in ihrer möglichst getreuen Übersetzung aus dem Hebräischen unseren heutigen Predigttext wie folgt übersetzt:

„ER redete zu Mosche, sprechend:
Rede zu Aharon und zu seinen Söhnen, sprechend:
So sollt ihr die Söhne Jisraels segnen:
sprecht zu ihnen:
Segne dich ER und bewahre dich,
lichte ER sein Antlitz dir zu und sei dir günstig,
hebe ER sein Antlitz dir zu und setze dir Frieden.
Sie sollen meinen Namen auf die Söhne Jisraels setzen,
ich aber werde sie segnen.“ (aus Buber-Rosenzweig: Die Schrift)

ER, der Herr selbst will und wird es sein, der segnet. Die, die den Dienst im Gottesdienst, im Haus Gottes verrichten, haben die vornehme Aufgabe darauf hinzuweisen, die Erinnerung an Gott und seine Zusage wach und IHN, den HERRN und den Glauben an IHN im Leben und Geist der Gläubigen lebendig zu halten.

Wir kennen viele Segen. Den Segen der Eltern, den Segen der Geburt, den Segen der Ernte, den Segen der Arbeit, Gesundheit, und, und, und …

Und wie wir von Jakob und Esau wissen, kann um Segen auch ganz schön gestritten, getrickst und gekämpft werden, kann böses Blut, Neid, Missgunst, Betrug entstehen.

Hier aber wendet sich Gott dir und mir direkt und unvermittelt zu und möchte, ja wird, selbst der sein, der segnet. Der Priester, die Pfarrerin, der Liturg, stehen nicht zwischen Gott und den Menschen, sondern sie weisen nur vielmehr die Suchenden und Verlangenden auf Gott hin. ER aber wird selbst segnen. Das können Sie mitnehmen. Mitnehmen hinein in den Alltag, in die Woche, in das Leiden, in die Verzweiflung.

Und doch schwingen hier und heute an Trinitatis im Text noch ein paar weitere Gedanken bei mir mit.

Da ist unsere Beziehung zu Gott. Aaron und seinen Söhnen ist von Gott über Mose klar aufgetragen, den Namen Gottes auf die Israeliten zu setzen, zu legen. IHN, so lese ich das, also präsent, lebendig, ansprechbar und beziehungsfähig für uns zu halten. Eine schöne Aufgabe.

ER, Gott, der schon in der Schöpfung seinen Segen fest verankert hat: „Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch …“ Gen 1, 28a, er ist auch weiterhin für seine Schöpfung und seine Geschöpfe da und segnet selbst.

Indem wir dies annehmen, müssen wir nicht wie Jakob den Esau beim Vater ausstechen, sondern können direkt auf Gott als den ausnahmslos alle segnenden trauen und bauen.

Und damit kommen wir zu uns selbst. Werden auf uns und unsere Beziehung zu Gott zurückgeworfen. Diese Anfrage an uns ist groß und kann wie bei Jakob am Jabbok zu einem großen inneren Streit mit unserem eigenen Selbst führen. Das Ich und das Selbst müssen sich aussöhnen, annehmen und so in Gott Ruhe finden. Ein Verstand der Gott sieht, wird der Lohn sein.

So mit uns und Gott versöhnt, können wir unserem Nächsten gegenübertreten. Unserem Esau, dem wir den Segen streitig gemacht, geneidet haben, Bruder und Schwester gegenübertreten. So wie Jesus dies als großes Vorbild getan hat. Er ist freundlich und zugewandt den Menschen begegnet, hat sie wahrgenommen. Da haben Abgrenzung, Populismus und Rassismus, wie wir es in unseren Tagen so heftig erleben, keinen Platz. Da sind wir ansprechbar, berührbar und gehen auf die Menschen um uns zu. Und dann sehen wir wie Jakob: „… denn ich sah dein Angesicht, als sähe ich Gottes Angesicht, und du hast mich freundlich angesehen.“ Gen 33, 10b

Und können selbst ein Segen sein: „Nimm doch meine Segensgabe an, die dir gebracht wurde; denn Gott hat sie mir beschert, und ich habe von allem genug…“ Gen 33, 11a

Und so kommt der Heilige Geist ins Spiel. Es entsteht eine lebendige, segnende Beziehung zwischen dem Ich und Gott, zwischen dem Ich und seiner Schöpfung, zwischen dem Ich und dem Selbst, mir und dir – alles in allem zwischen dem Ich und dem Du. So gewinnen wir ein ansprechbares Du in Gott, Du in seiner Schöpfung, Du im eigenen Selbst und Du im Nächsten.

ER, der Unverfügbare, bleibt unverfügbar. Wir haben keine Macht darüber. So auch nicht über seine Schöpfung, den Nächsten, unser Selbst.

Aber wir lernen Du zu sagen. ER wird so ansprechbar, für uns ganz persönlich und beziehungsfähig.

Wir, unser Ich, treten in Beziehung zu und es entsteht Resonanz mit dem Du in Gott, dem Du in der Schöpfung, dem Du im Nächsten und uns selbst.

Amen

Es gilt das gesprochene Wort.
Andreas Ponto – Stuttgart, 2020-06-07

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