Predigt 1. Petrus 2, 2-10 Der geistliche Bau – persönlich und im Ganzen

Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Foto: Richard Mayer CC BY SA 3.0

„…diese Predigt möchte ein wenig nachdenken. Nachdenken darüber, was uns heute bei all den Hiobsbotschaften verschiedener Studien zu Mitgliedschaft und Gottesdienstbesuch in Landes- und Volkskirche dieser Predigttext, die hier vorfindliche Architektur und die Wanderausstellung für Zeichen und Hinweise zu geistigem bauen mit lebendigen Steinen geben können.“

Hören wir zunächst auf den Predigttext aus 1. Petrus 2, 2-10.
Dieser Abschnitt ist überschrieben mit „Das neue Gottesvolk“:
2 und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, auf dass ihr durch sie wachset zum Heil,
3 da ihr schon geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist.
4 Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar.
5 Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus.
6 Darum steht in der Schrift (Jesaja 28,16): »Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.«
7 Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar. Für die aber, die nicht glauben, ist er »der Stein, den die Bauleute verworfen haben; der ist zum Eckstein geworden« (Psalm 118,22)
8 und »ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses« (Jesaja 8,14). Sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben, wozu sie auch bestimmt sind.
9 Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk zum Eigentum, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat aus der Finsternis in sein wunderbares Licht;
10 die ihr einst nicht sein Volk wart, nun aber Gottes Volk seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid (Hosea 2,25).

Liebe Gemeinde,

welche Dimensionen hat der Predigttext? Mein erster Versuch dem näher zu kommen war eine Mindmap. Darauf folgte eine Begriffssammlung. Dann der Besuch hier in der Ausstellung „ZWÖLF – Kirchenbauten der Nachkriegsmoderne in Baden-Württemberg“. Und schließlich ein paar Nachfragen an Tante Google zur Funktion von Eck- und Schlusssteinen. Das alles war dann so viel, dass ich mich auf wenige Punkte beschränken muss. Der geistliche Bau – persönlich und im Ganzen.

In der Wettbewerbsausschreibung zu diesem Bauwerk hier können wir lesen: „… Mittelpunkt des gottesdienstlichen Geschehens ist … die Gemeinde selbst, die zum Hören auf das verkündigte Wort und zum Empfang der Gaben der Sakramente versammelt ist. Deshalb sind Kanzel, Abendmahlstisch und Taufbecken … zu der versammelten Gemeinde in eine jeweils gleichwertige Beziehung zu setzen …“

Inzwischen ist dieser Gemeinde- und Sakralbau wie 150 andere aus der Nachkriegszeit auch ein Denkmal.

Nun, diese Predigt möchte ein wenig nachdenken. Nachdenken darüber, was uns heute bei all den Hiobsbotschaften verschiedener Studien zu Mitgliedschaft und Gottesdienstbesuch in Landes- und Volkskirche dieser Predigttext, die hier vorfindliche Architektur und die Wanderausstellung für Zeichen und Hinweise zu geistigem bauen mit lebendigen Steinen geben können.

Taufe – Christus, der Eckstein wird gelegt

Die Taufe. Sie legt für den eigenen, ganz persönlichen geistlichen Bau den Eckstein – Jesus Christus.

Der Eckstein ist der erste Stein, der beim Neubau gelegt wurde.
Er ist besonders groß und stabil, seine Konturen sind sauber bearbeitet. Der Eckstein trägt über Eck das Gebäude, verleiht den Seiten Stabilität und gibt Ihnen die Richtung vor. An ihm richtet sich der Rest aus und mit ihm erhält der Bau Stabilität und Zusammenhalt.

Am Eckstein können wir unsere eigenen Steine anlegen und auf diesen die Mauern und so schließlich das gesamte Gebäude aufbauen. Unsere eigenen Steine, oftmals unbehauen, unscheinbar und klein, manchmal verziert und kunstvoll, wie es das Leben eben mit sich und uns bringt. Sie sind alle notwendig, soll unser Bau gelingen.

Er, Christus sieht und erkennt uns wie wir sind. Da müssen wir selbst nichts tun, als unsere unbehauenen Steine an den Flanken des Ecksteins anzusetzen und ineinander zu fügen, an Christus auszurichten und auf ihm aufzubauen. Der Eckstein gibt dem eigenen geistlichen Bau notwendige Form und Richtung.

wertgeschätzt, geliebt und willkommen

Bei Christus bist du wertgeschätzt, geliebt und willkommen; gerade so wie du bist. In deinem ganzen Sein, deinen Gaben, aber auch deinen Unzulänglichkeiten und Schwächen. In ihm erfährst du für dich und deinen geistlichen Bau Tragfähigkeit, Zusammenhalt und Stabilität.

Deine ganz persönliche Geschichte und Geschichten, die du mit dir herumträgst und die dir manchmal eine so schwere Last sind. Diese vielen Steine und Steinchen im Gepäck…

Christus hat sie schon lange angenommen und getragen. Er ist schon lange versöhnt. Versöhne du dich selbst auch mit dieser deiner Geschichte. Wie Christus dich angenommen hat, so nimm du dich selbst an.

Mit allen Ecken und Kanten kannst du dich und deine Einzigartigkeit, mit all deinen Gaben in deinen geistlichen Bau einbringen. Leg die Steine an den Eckstein an, befreie dich von der Last diese mit dir herumzutragen und lass sie so ein Beitrag werden zu deinem ganz eigenen und persönlichen Bau, getragen und ausgerichtet durch den Eckstein Christus.

In der ruhigen Betrachtung und Würdigung jedes einzelnen deiner Steine und der Gesamtschau auf dich selbst, lässt Gott dich die wunderbare Herrlichkeit seiner Schöpfung und Gnade, deine Einzigartigkeit erkennen und wertschätzen. Und so kann sich dann ein Stein wunderbar in den anderen einfügen und das herrliche Gesamte ergeben.

In persönlicher Spiritualität Ruhe und Orientierung finden

Was kann mir dazu helfen, mich darin unterstützen?
In und durch die ganz persönliche Spiritualität finde ich oft Ruhe und Orientierung.

Das kann in der Bibellese, beim Forschen nach dem kulturellen Gedächtnis, dem Wiederholen empfangener Lehren, das mich zum verantwortlichen Leben führt, lebendig werden; Anleitung und Impuls für verantwortlichen und achtsamen Umgang mit mir selbst in der Schrift entdecken und für mich erschließen (siehe Dietrich Bonhoeffer „Widerstand und Ergebung“ von Eberhard Bethge „Nach zehn Jahren“ S. 9).

Ruhe, Kraft und Konzentration aus dem Rhythmus des Tagzeitgebets für das Wesentliche ziehen, für das, was jetzt gerade dran ist. Ein lebendiger Glaube, der die kleinste Hütte zum Bethaus werden lässt und meine sterbliche Hülle heiligt; Bewusstsein schafft für das was zählt in Alltag und im Miteinander.

Kontemplation, die innere Einkehr, lässt im Spiel von Loslassen und Fokussierung ein wunderbares Licht in meinem geistlichen Bau aufleuchten. Auf du und du mit GOTT, in meinem ganz persönlichen Raum der Stille und des Hörens auf Gott. Ich darf ein Geschöpf Gottes sein.

Gotteslob. Ein Lied auf den Lippen und im Herzen, versetzt Körper und Geist, unseren geistlichen Bau in sterblicher Hülle, in wunderbare Schwingungen, bringt göttliche Resonanz und Glanz hervor. Das steckt an.

Christliche Spiritualität – Mörtel und Speis zwischen unbehauenen, groben Steinen

Für mich werden diese Elemente christlicher Spiritualität zunehmend zu wertvollen Bau- und Lehrmeistern meines ganz persönlichen geistlichen Baus. Oder anders ausgedrückt, zu Mörtel und Speis zwischen meinen unbehauenen und groben Steinen, der die Ritzen füllt, alles zusammenhält und an den Eckstein fügt undmit ihm verbindet.

Kleine, kurze Übungen, aber stetige Übung sind hier für mich der Schlüssel zum Gelingen.

privat und öffentlich –
Individuum und Gemeinschaft

Von Christus lesen wir nicht selten, dass er sich zurückzog aus dem Geschehen, um mit sich und seinem Vater ins Gespräch zu gehen, zur Ruhe zu kommen. Trauen wir uns selbst auch immer wieder und regelmäßig unsere ganz persönliche Zeit einzufordern, zu nehmen und auch zu gestalten. Seelenpflege jenseits von Spa, Beauty und Wellness tut gut; sind die täglichen kleinen Oasen-Stopps im oft so rauen und wüsten Alltag.

Aber immer, um auch wieder zurückzukommen, um da zu sein für die Menschen um uns herum. Ich denke das gehört zusammen, das Wechselspiel zwischen privat und öffentlich, Individuum und Gemeinschaft.

Der geistliche Bau braucht Räume – Gemeinschaftsräume und Plätze.

Als Individuum bringen wir uns ein mit unseren ganz persönlichen Gaben, dem Sein selbst und es entsteht Gemeinschaft: bunt, lebendig, vielfältig, inspirierend, unverhofft und unerwartet, neu und immer wieder ganz anders. Der geistliche Bau. Und dieser braucht Räume – Gemeinschaftsräume und Plätze.

So ist es auch mit diesem Ort hier. Da hatten ein paar Leute Mut Neues zu wagen.

Hierzu Zitate aus dem Gästebuch zu dieser Ausstellung:
„Von außen eher dunkel,
abweisend, zeigt der Innenraum ein Licht von großer Schönheit.
Ruhig – einfach da.“

Der andere Eintrag vom 23.07.:
„In den 60er Jahren wurde verantwortlicher, mutiger gebaut als heute. Diesen Mut wünsche ich mir zurück.“

Und da sind wir bei einem Impuls, der vom Architekt gegeben, vom Betrachter wahrgenommen und heute hineingegeben wird in die Gemeinde.

Ruhig – einfach da.

Zum einen: Ruhig – einfach da.
Das drückt für mich das Beständige, das geerdet sein aus – einfach da.
»Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.«

Kirche – Institutionen, Einrichtungen, Gebäude, Gemeinschaft und Individuum – einfach da.
Mitten im Ort, mitten unter den Leuten, für jede und jeden, ausnahmslos – einfach da.

Das ist der Anspruch, den Christus der kostbare Eckstein an sich, an seine ZWÖLF und an uns als in Christus getaufte, „… die ihr einst nicht sein Volk wart, nun aber Gottes Volk seid, …“ erhebt.

„Von außen eher dunkel,
abweisend, zeigt der Innenraum ein Licht von großer Schönheit.“

„… dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat aus der Finsternis in sein wunderbares Licht; …“

Das ist der Auftrag. Mitten hinein sind wir als Christen gegeben in die Gesellschaft, in die Gemeinschaft.

Mut wünsche ich mir. Aufbruch wagen.

Und da hilft vielleicht die Mahnung und leise Hoffnung, kann Orientierung geben: „In den 60er Jahren wurde verantwortlicher, mutiger gebaut als heute. Diesen Mut wünsche ich mir zurück.“

Mut wünsche ich mir zurück. Lasst diesen Ort einen offenen Ort sein und bleiben. Lasst die Orte der Kirche, der Institutionen, der Einrichtungen, der Gebäude, einen offenen Ort sein und bleiben.

Patentrezepte? Gibt es nicht.
Schauen Sie sich die ZWÖLF, die 12 beispielhaften Exemplare an. Verschiedener und doch stringenter kann es kaum sein.

Da wurde nach dem Krieg ein Aufbruch gewagt. Neue technische Möglichkeiten, neue Anforderungen, neue Bürger von überall her in großer Zahl, …

Dort wird aus Spannbeton ein riesiges Zeltdach aufgespannt. An anderer Stelle wird mittels Glasfassaden völlige Transparenz nach draußen in den Wald hinein realisiert. Dagegen entsteht woanders ein meditativer Schutzraum. Dem zum Trotz wird wiederum ein sakraler Raum mitten in der Welt geschaffen. Der nächste Architekt realisiert die Vorstellung der Gemeinde nach tätiger Teilnahme der Gläubigen, nach Demokratisierung im gottesdienstlichen Raum mit Neugotik in Fertigbauweise.

Ja, wieviel Input will die Kirche, wollen wir noch?
Kirche fang an, fangen wir an diese Impulse zuzulassen!

Zitat aus dem Gästebuch:
„Durch die Ausstellung und die begleitende Literatur habe ich einen Zugang zu den modernen „Betonkirchen“ gefunden. Bereichernd.“

Ein anderes:
„Endlich sind wir nicht allein“

Und:
„Versammlungsort erster Güte
… könnte bedeuten, dass sich an diesem neu definierten Orten Menschen versammeln frei von konfessionellen Bindungen, frei von ideologischen Intentionen, im Sinne einer offenen Gesellschaft von Schwestern und Brüdern, in franziskanischen Geist und Sinn, ohne kirchlichen Dogmen, Macht und Deutungshoheit, eine zukunftsoffene, entwicklungsorientierte Menschheit, gegenüber Natur, Umwelt, Kosmos, ebenso brüder-schwester-lich verbunden und verantwortlich!…“

Der Mensch Jesus hat sich Zeit für sich genommen. Er hat sich aber auch vorbehaltlos den Menschen seiner Zeit zugewandt. Nehmen wir die Impulse, die unsere Zeit und unsere Umgebung uns gibt, auf. Reflektieren und spiegeln wir diese auf dem uns gegebenen Hintergrund, der Basis, dem Eckstein.
Und schließlich: Wagen wir den Aufbruch.

Der geistliche Bau –
ein mit Leben erfüllter Bau.

Bauen am geistlichen Bau einer Kirche, einer Gemeinschaft, die für alle offen und da ist. Keiner der Architekten hat geplant und sich eingebracht, um Ruinen zu bauen. Alle bringen sie ihr Persönliches ein, um ein Gemeinsames zu Schaffen – den geistlichen Bau, ein mit Leben erfüllter Bau.

Wie das konkret aussieht? Dazu muss jede Gemeinde vor Ort sich selbst finden. Vielleicht kann dazu die Erfahrung, die die Gemeinde hier vor der Ausschreibung zum Neubau gemacht hat, Anregung sein: Sie gingen auf Exkursion und haben sich in Frankreich Anregungen nach Sonnenberg geholt, einen Wettbewerb ausgeschrieben und den Entwurf aus der Schweiz realisieren lassen.

Will sagen: Über den Tellerrand schauen, Wettbewerb um die besten Ideen zulassen, um tragbare, individuelle Lösungen für die Veränderungen und konkreten Bedürfnisse vor Ort zu finden.

Christus – Eck- und Schlussstein

Christus wird zu allen unseren Bemühungen, den Schlussstein geben. Der Keilstein, der Spaltstein. Er ist der Stein, der das Gewölbe, den geistlichen Bau abschließt, zusammenhält und auf dem Eckstein ruhen lässt.

In diesem Sinne wünsche ich dem weiteren Verlauf der Wanderausstellung Gottes Segen und vielfältigen und reichhaltigen Input für den geistlichen Bau vor Ort.

Amen.

„Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“ Phil 4, 7

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