„Christ sein ist kein Status, sondern ständiger Auftrag von Christus!
Kirche Christi sein ist primär keine definierte Institution, sondern lebendige Gemeinschaft in Christus mit Schwester und Bruder!“
Predigttext aus Mt 5, 13-16:
„Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter;
so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“
Liebe Gemeinde,
wie geht es Ihnen, wenn Sie diese Sätze hören?
Angesprochen oder eher nicht?
Was sind diese Worte für Sie? Zuspruch, Aufmunterung?
Anspruch oder übersteigerter Anspruch?
Selbstverständnis!?
Ehre, Erwählung!?!
Berufung, Sendungsbewusstsein, Missionsauftrag?!
In der Folge des Kirchentages habe ich einige Kommentare von beurteilenden Christen gelesen und gehört, die zusammengefasst für mich in etwa so lauteten:
Die Evangelische Landeskirche ist keine missionierende Kirche mehr.
Zum Glück gab es den Christustag auf dem Kirchentag, da wurde Christus wenigstens noch verkündigt. Der Kirchentag dagegen ist eher ein gesellschaftspolitisches Ereignis.
Auf der anderen Seite werden aus der zunehmend säkularen Gesellschaft Angriffe wie folgende laut:
Wollt ihr Christen denn etwas Besseres sein? Mit welchem Anspruch tretet ihr denn auf? Kümmert euch doch erst mal um eure Schulen und Heime, dass dort alles mit rechten Dingen zugeht. Und überhaupt, mit welchem Recht bekommt ihr so viel Geld vom Staat?
Aus dem Kreis mancher Teilnehmer des Kirchentages habe ich aber auch ganz andere Botschaften wahrgenommen. Strahlende Gesichter, ergriffene Herzen, bewegte und aufgewühlte Gemüter. Glaubenslicht, das neu und kräftig strahlt, das Herzen und Menschen bewegt.
Gewonnene Eindrücke und Einsichten, die das künftige Leben mit und aus Christus bestimmen.
Verbunden mit dem heutigen Predigttext höre und lese ich viele steile Ansprüche, die Christen für sich reklamieren.
Wir Christen sind das Licht der Welt und das Salz der Erde. Ohne uns fehlt etwas in der Welt. Ohne uns ist die Welt trostlos. Die Welt braucht uns! Selbstverständlich kommt dann immer noch der Zusatz hinzu – aus Christus!
Ich möchte eine Frage stellen. Braucht Christus uns? Ist er auf uns und unsere Kirche angewiesen? Geht ohne uns nichts?!
Matthäus hat schon lange eine Antwort darauf gegeben. In Mt 3 sagt Johannes der Täufer zu denen, die sich von ihm Taufen lassen:
„Denkt nur nicht, dass ihr bei euch sagen könntet: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken.“
Das sind harte Worte, aber was meint Matthäus damit? Ich möchte später darauf zurück kommen.
Unserem heutigen Predigttext gehen ganz elementare Worte voraus und er ist der Zielpunkt dieser. Ich möchte diese uns als kleine Meditation vorlesen:
„..Jesus tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, …“
Die neun Seligpreisungen. Unser Predigttext ist der Ziel und Höhepunkt dieser Seligpreisungen.
„Ihr seid das Salz der Erde. …“
„Ihr seid das Licht der Welt. …“
Wenn ich diese Worte in den Zusammenhang bringe und als Ganzes auf mich wirken lasse, so kann ich nicht erkennen, wo hier ein Statusrecht festgemacht werden kann. Wir die Christen? Wir die christliche Kirche?
Für Matthäus ist hier aber vielmehr ein unauflöslicher Zusammenhang zwischen Sein und Tun.
Damit wir uns nicht falsch verstehen. Gottes Liebe, Gnade und Heil ist unverdient. Keiner kann sich durch Werke Heil schaffen.
Theologisch gesprochen, könnte man auch sagen:
„Der (Heils-) Indikativ steht vor dem (Heils-)Imperativ. Damit ist gemeint, dass der Mensch nicht deshalb vor Gott als »gerecht« gilt, weil er der Aufforderung nachkommt, bestimmte Gebote zu erfüllen (= Imperativ, von lat. imperare: befehlen), sondern weil er bereits vor allem Tun – durch Gottes Gnade – als gerecht gilt (= Indikativ, von lat. indicare: anzeigen). Gleichwohl erwächst aus der Rechtfertigung (Indikativ) die Bereitschaft zum Tun des Guten (Imperativ).“ (Quelle)
Allein durch Gottes Gnade sind wir Kinder Gottes, dem Tod entrissen und gerechtfertigt vor Gott.
Aber für Matthäus ergibt sich daraus für Gemeinde und Kirche eine klare und eindeutige Konsequenz. Das Leben in und aus Christus, woraus ein klarer ethischer Anspruch an Christen erwächst. Die sogenannte bessere Gerechtigkeit.
Und so fragt dann analog zu Johannes wenig später auch Jesus als er auf seine Familie angesprochen wird:
„Er antwortete aber und sprach …: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter. „
Ich möchte es so formulieren:
Christ sein ist kein Status, sondern ständiger Auftrag von Christus!
Kirche Christi sein ist primär keine definierte Institution, sondern lebendige Gemeinschaft in Christus mit Schwester und Bruder!
Nun komme ich auf die Eingangs berichteten Reaktionen und Kommentare zum diesjährigen Kirchentag zurück.
Wenn evangelikale oder bibeltreue Christen uns landeskirchlich verfassten Christen das rechte Christsein absprechen, schreckt mich das wenig. Wenn diese der Kirche vorwerfen, dass sie zu wenig missionarisch unterwegs ist und sich stattdessen zu sehr gesellschaftspolitisch profiliert, interessiert mich das ebenfalls herzlich wenig.
Wenn aber unsere zunehmend säkulare europäische Gesellschaft feststellt, dass der christliche Glaube in den ethischen und
gesellschaftspolitischen Diskurs nichts mehr einzubringen vermag und auch kein leuchtendes Beispiel mehr darstellt, dann komme ich ins ernsthafte Nachdenken.
Das ist für mich, sollte sie berechtigt und begründet sein, Kritik, die ernst zu nehmen ist.
Denn ich habe vorhin zwischen den Seligpreisungen und unserem Predigttext eine Stelle ausgelassen, die jetzt zum Zug kommt:
„Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen. „
Und in unserem Predigttext lesen wir:
„… wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.“
„… Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. „
Liebe Gemeinde,
das muss uns aus meiner Sicht als Christen und christliche Kirche ernste Mahnung und ständiger Prüfstein sein.
Lassen wir uns nicht mit exklusiven Scharfmachern und radikalen Fundamentalisten, die spalten und abgrenzen, ein. Ich persönlich wehre mich dagegen, dass unsere Kirche sich zu sehr mit diesen konservativen Kräften innerhalb und am Rande unserer Kirche abgibt.
Ein kritischer Dialog, mit klarer Kante – ja. Aber kein Kuschelkurs! Hier ein entschiedenes Nein!
Denn sie macht sich selbst damit, und aus meiner Sicht auch völlig zu Recht, für den Großteil der Gesellschaft suspekt und fragwürdig.
Prüfen wir vielmehr immer wieder neu, ob wir im Sinn der Bergpredigt Salz der Erde und Licht der Welt sind. Christus ist gekommen zum Heil möglichst aller, unabhängig von Herkunft und Status.
Darum gilt auch der Ziel- und Fluchtpunkt des MtEv in Mt 28, 16-20
„Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
Dieses hier angesprochene Taufen und Lehren erfolgt nach meiner tiefen Überzeugung nicht durch heilsexklusive Ansprüche und hochgehaltenem Status wie, „Wir Christen hier drinnen und ihr Heiden dort draußen“, sondern allein dadurch, dass wir Salz der Erde und Licht der Welt, also integraler Bestandteil und elementarer Beitrag aus Christus in und für diese Welt sind.
Mit Paulus könnte man daher auch noch sinngemäß aus 1. Kor 9 einwerfen: Dem Jude ein Jude, dem Griechen ein Grieche, .. !
Dann kann Christus uns in dieser Welt gebrauchen und sein Reich verwirklichen.
Amen
Andreas Ponto, 2015-07-26 – Es gilt das gesprochene Wort