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In einer oft heillos und dunkel scheinenden Welt ereignet sich Gott:
– durch die tätige Liebe des Einzelnen,
– in der uneigennützigen Agape,
– in der resonanten Beziehung zwischen Ich und Du. …“
Hören wir auf den Predigttext aus Matthäus 25:
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Denn es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: Er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an;
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dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und ging außer Landes. Sogleich
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ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere fünf dazu.
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Ebenso gewann der, der zwei Zentner empfangen hatte, zwei weitere dazu.
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Der aber einen empfangen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn.
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Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen. 20
Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe fünf Zentner dazugewonnen.
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Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!
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Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe zwei dazugewonnen.
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Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!
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Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: Du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast;
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und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine.
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Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe?
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Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen.
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Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat.
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Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.
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Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.
Liebe Gemeinde,
von was redet Jesus da eigentlich?! Das Gleichnis mit dem Jesus in unserem Predigttext zu seinen Jüngern spricht, ist mit dem Titel „von den anvertrauten Talenten“ überschrieben. Der Text und was wohl das richtige Verständnis dazu sein kann, haben mich sehr beschäftigt.
Darum bin ich ein paar Schritte zurückgetreten, habe Abstand vom Predigttext selbst genommen und mir zunächst den Kontext, in dem er steht, angesehen.
Der erste Schritt zurück:
Direkt davor erzählt Jesus seinen Jüngern das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen. Anschließend an unseren Predigttext, folgt der Blick auf Jesu Wiederkommen und das Gericht über alle Völker.
Der zweite Schritt zurück zeigt noch mehr:
Womit fängt diese Unterweisung der Jünger an? In Kapitel 24, als die Jünger ihm die Gebäude des Tempels zeigen wollen, entgegnet Jesus ihnen: „… Seht ihr nicht das alles? Wahrlich, ich sage euch: Es wird hier nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.“ (Mt 24, 2)
Später auf dem Ölberg kommen die Jünger, als sie mit ihm alleine sind, darauf zurück und fragen, wann das geschehen wird; welche Zeichen es sein werden, die sein Wiederkommen und das Ende der Welt ankündigen werden.
Jesus beschreibt es ihnen. Dann fordert er mit dem Gleichnis vom treuen und bösen Knecht seine Jünger auf, den Menschen zur rechten Zeit Nahrung zu geben. Also tätig in seinem Auftrag zu sein und bis zuletzt zu bleiben.
An dieser Stelle höre ich vor allem den Hunger des Menschen nach geistiger Nahrung, nach Orientierung heraus. Lehrern und Propheten, den Jüngern übergibt er die Verantwortung, diesen Hunger der Menschen im Sinn und Geist Jesu zu stillen.
Daran schließt das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen an. Hier höre ich die Verantwortung der HörerInnen, das, was Ihnen durch Lehrer und Propheten an Geistigem vermittelt wird, zu sammeln.
Schließlich unser Predigttext als Gleichnis von den anvertrauten Talenten. Direkt danach die Beschreibung vom Gericht am Ende der Welt.
Nach welchen Kriterien wird nach Matthäus im Gericht gerichtet werden?
„Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.“ (Mt 25, 35-36)
Aber wo und wann haben wir dich denn gesehen und das alles getan?, lässt Matthias fragen.
„… Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25, 40)
Und in diesem Kontext betrachtet, bekommt das Gleichnis vom Mann, der verreist und seinen Knechten Talente anvertraut, einen ganz bestimmten Deutungsrahmen.
Von hier ausgehend möchte ich über das Gleichnis nachdenken und mit Ihnen darüber reden.
Ausgehend vom vorausgehenden Gleichnis des treuen und klugen Knechtes wird hier in unserem Predigttext danach gefragt, wie mit den in Zeugung und Geburt geschenkten Talenten und den selbst entwickelten eigenen Fähigkeiten umgegangen wird.
Laut Matthäus gibt es dafür im Gericht eine eindeutige Messlatte:
– ihr habt mir, dem Hungrigen zu essen gegeben,
– ihr habt mir, dem Durstigen zu trinken gegeben,
– ihr habt mich, den Fremden aufgenommen,
– ihr habt mich, den Nackten gekleidet,
– ihr habt mich, den Kranken besucht,
– ihr seid zu mir, dem Gefangenen gekommen.
Indem ihr diesen Liebesdienst einem meiner Geringsten und damit den Geringsten unter euch zukommen lasst, tut ihr das an mir.
So betrachtet, kann es aus meiner Sicht also in unserem Predigttext keinesfalls um das Vermehren und Scheffeln von Besitz, Geld und Reichtum für sich selbst oder den Herrn gehen.
Schon gar nicht unter dem Aspekt, dass Jesus, selbst ein mittelloser Prediger, seinen Jüngern eben nichts Materielles mitgegeben und hinterlassen hat.
Unser Predigttext ist eben ein Gleichnis, das aus der damaligen Zeit genommen, im Kontext von Jesu Lehre zu deuten und in das jeweilige Hier und Jetzt zu bringen ist.
Es wird nicht zählen, wenn wir unser Mensch-Sein, unsere menschliche Seite in ein Tuch wickeln und in der Erde verbuddeln; es zudecken und vergraben in all den egoistischen und eigennützigen Dingen wie Lieblosigkeit, Macht, Geld, Status, Egoismus, Hartherzigkeit, keine Zeit, keine passende Gelegenheit, usw.
Was zählt dann? Worum geht es also?
Als Menschen sind wir alle ausnahmslos soziale Wesen mit Gaben und Fähigkeiten. Aus meiner Sicht gilt es, diese einzubringen in jegliches Miteinander und Gegenüber.
Jesus redet zu seinen Jüngern. Und der Evangelist Matthäus geht selbstverständlich davon aus, dass wir als Christen eben auch Jesu JüngerInnen sind.
Aus seiner Sicht sind wir unterrichtet und können wissen, was jeder Einzelne als Christ tun kann, um im Sinn und Geist Gottes zu leben, für das Du im Gegenüber da zu sein – vor allem für die Geringsten, die Benachteiligten, die Marginalisierten und Ausgestoßenen.
Wir haben als Menschen, als soziales Wesen ein Vermögen vom Herrn mitbekommen – ganz individuelle und wunderbare Gaben.
Und damit bekommen wir auch eine Verantwortung mitgegeben. Es liegt an uns, das, was Gott uns gegeben hat, in seinem Sinn und gemäß unseren Fähigkeiten einzusetzen. Und es liegt in der Natur dieser Gaben, dass wenn sie eingesetzt werden, diese sich mehren werden.
Ich bin überzeugt, dass Jesus hier nicht von Geld und Geldvermehrung redet. Ganz im Gegenteil: Er redet von der Mehrung im zwischenmenschlichen Mit- und Füreinander; von Agape, der uneigennützigen Liebe, die sich dem Du im Gegenüber bedingungslos, befreiend, uneigennützig, vorbehaltlos und uneingeschränkt zuwendet.
Dann kann sich etwas ereignen, was uns oft nicht bewusst ist, aber immer mehr bewusst werden kann. Dort wo wir Agape leben und dem Du im Gegenüber begegnen, mit ihm in Beziehung treten, dort ereignet sich Gott.
Matthäus drückt es so aus: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25, 40)
In einer oft heillos und dunkel scheinenden Welt ereignet sich Gott:
– durch die tätige Liebe des Einzelnen,
– in der uneigennützigen Agape,
– in der resonanten Beziehung zwischen Ich und Du.
Als tätige Jüngerin, als tätiger Jünger vermehrt sich unser Vermögen und unsere Fähigkeit im Umgang mit- und füreinander, wird heilsame Begegnung zum glücklichen und seligen Moment, zur Sternstunde des Menschen in der sich Gott ereignet, zur leuchtenden Öllampe der klugen Jungfrau.
Amen
Es gilt das gesprochene Wort.
Andreas Ponto / Bempflingen, 2022-08-14