Der HERR mehre euch, euch und eure Kinder! Ps 115, 14
Seine Barmherzigkeit gilt von Geschlecht zu Geschlecht denen, die ihn fürchten. Lk 1, 50
Es reizt mich diesen Text, aus dem unser Lehrtext stammt, als zutiefst feministischen Text auszudeuten: Marias Lobgesang Lk 1, 46-56.
Maria besucht Elisabeth.
Maria erfährt von der Schwangerschaft ihrer hochbetagten und scheinbar unfruchtbaren Verwandten Elisabeth, nachdem sie selbst die Verheißung zur Schwangerschaft erhalten hat.
Elisabeth wird schwanger, nachdem ihr Mann, Priester Zacharias, im Tempel während des Räucheropfer-Diensts die Verheißung zur Schwangerschaft seiner Frau und zu ihrem gemeinsamen Sohn, Johannes dem Täufer durch einen Engel des HERRN empfängt.
Interessant, dass auf Grund der Gabriel-Erscheinung, Zacharias, unfähig eines Wortes, den Tempel verlässt, das Volk stehen lässt, um zu seiner Frau zu gehen.
Ist es nicht der Priester Sache, von und mit Gott zu reden?! Aber das haut wohl den frommsten und gerechtesten Priester um, wenn dann doch mal Gottes Herrlichkeit in die Realität einbricht, die rituelle Routine unterbrochen wird und sich Wunder ankündigen.
Was für eine Schmach – als Frau unfruchtbar. In einer partiarchalen Gesellschaft wie der unseren, ist es oftmals immer noch Bestimmung und Sache der Frau, dass und ob Kinder gezeugt werden können. Wer denkt schon daran, dass es auch am Mann liegen könnte?
Zunächst zeigen nach wie vor viele auf die Frau. So auch damals, so auch der Bericht des Lukas, der nach eigenen Angaben auf vielen Augenzeugenberichten fußt. Elisabeth ist unfruchtbar. Von Zacharias redet niemand.
Vielleicht ist es aber auch an Zacharias und seine Frau Elisabeth wartet immer noch darauf, dass sie von ihrem Mann schwanger wird, bei ihm mal endlich der Knoten platzt?
Es könnte doch genauso gut sein, dass die Erscheinung des Engels bei Zacharias etwas (aus-)gelöst hat. Warum sollte er denn sonst gerade ihm erscheinen? Unter Umständen hat die Heilung bei ihm stattgefunden.
Gerade noch rechtzeitig, bevor bei seiner Frau die Menopause eintritt. Zacharias hat für seine Frau gebetet, dabei bedurfte er der Heilung?
Und seine Frau hat gewartet und gewartet, die Menopause solange nicht zugelassen, bis er endlich bereit war. Eine willensstarke Frau, die die ihr zugeschriebene gesellschaftliche Schmach aus Liebe zu ihrem Mann, getragen hat!
Mitleiden, mittragen aus Liebe.
Mitleiden, mittragen aus Liebe; bis Gottes Wirklichkeit in das triste Leben des Liebsten einbricht, diesen sprachlos und ungläubig, ob der Erscheinung zurücklässt und doch heilsam wirkt.
Und sich dann immer noch verbergen. Bis die Schwangerschaft sicher und unübersehbar ist. Fünf Monate lang das Mutterglück still vor den zeigenden Fingern und den sich zerreißenden Mäulern schützen.
Gegen jedes Bedürfnis Jubel und Glück hinauszurufen in die Welt, in die Nachbarschaft, in die Gesellschaft, in die Familie, wohl wissend, dass echte und ehrliche Freude unwahrscheinlich zu erwarten sind.
Einfach stillhalten, ob der Missgünstigen und sich die Mäuler Zerreissenden, der das reinste Glück Gefährdenden.
Und nun tritt Gabriel wieder auf den Plan und erscheint Maria, der verlobten Frau, also der Jungfrau und verkündigt nun ihr ebenso das Ungeheurliche: du wirst Schwanger, aber nicht von einem Mann.
Und Elisabeth, deine Verwandte ist ebenfalls Schwanger. Zwei ungeheuerliche Nachrichten auf einmal. Das ist viel und heftig. Und Maria macht sich auf, geht in die Berge zu Elisabeth.
Drei Monate wird sie dort bleiben. Niemand wird ihr vorwerfen können: und du hast doch mit deinem Verlobten oder einem anderen Mann vor der Ehe geschlafen. Ihre beste Versicherung und Zeugin wird ihre Verwandte, wird Elisabeth sein. Weiblicher Instinkt pur!
Und dann, was für eine Begrüßung:
„Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes! Und wie geschieht mir, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. Ja, selig ist, die da geglaubt hat! Denn es wird vollendet werden, was ihr gesagt ist von dem Herrn.“
Marias Lobgesang.
In diesem Lobgesang triumphiert Maria, als Frau über die Hoffärtigen, über die Gewaltigen, über die Reichen – allesamt Männer.
Die Niedrigen werden erhöht, die Hungrigen mit Gütern angefüllt.
Frauen sind zu dieser Zeit Besitz. Oft genug werden sie heute noch genau so behandelt.
Frauen haben nichts, wenn ihre Männer sie verlassen. Oft genug heute noch genau so, da die Männer auf dem Rücken ihrer Frau Karriere machen, während Frau die Kinder großzieht, die Last des Familienalltags trägt und mit Teilzeitjobs die Haushaltskasse aufbessert.
Der Dank: Altersarmut und Ächtung. Und wehe der Frau, die da nicht mitspielt.
Durch Geächtete und Verstoßene Verheißung erfüllt.
Durch die beiden Frauen, der geächteten, unfruchtbaren Ehefrau und der zu verstoßenden, verlobten Jungfrau wird erfüllt, was ihren Vätern verheißen ist.
Nicht durch den Priester, nicht durch den Verlobten, nicht durch die Mächtigen, nicht durch die Reichen, nicht durch die Hoffärtigen – nicht durch das alles beherrschende Patriarchat.
Es wird höchste Zeit, dass aus dem Ausruf „Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder.“ wirkmächtige Wirklichkeit wird.
Dass alle Kindeskinder, Mann und Frau gleichermaßen, in Haltung und Tat, der Frau in Partnerschaft, Familie und Gesellschaft, in jeglicher Position, den vollumfänglich gleichwertigen und gleichberechtigten Platz ohne wenn und aber, Führung und Macht abgeben und zugestehen.
Erst dann ist die scheinheilige Marienverehrung des Klerus kein Feigenblatt des Patriarchats mehr, wenn Maria 2.0 sich wegen Erfüllung aller Forderungen selbst auflöst, die Frauenquote in allen Ebenen der Führung und Macht selbstverständlich ist und Frau dem Mann in Familie, Beruf, Selbstverwirklichung, Vorsorge und Absicherung gleichgestellt ist.
Durch die beiden Frauen Elisabeth und Maria wird zur Tat, wird Wirklichkeit, wird real: „ER gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf“.
Der HERR mehre euch, euch und eure Kinder!
Allen einen frohen und gesegneten Advent, damit in deinem und meinem Leben ankommt, was schon lange von IHM angekündigt.